Das Déjà-vu um den BND-NSA-Skandal.

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Der deutsche Geheimdienst BND half wohl der amerikanischen NSA beim Ausspähen der französischen Regierung, der EU-Kommission und anderer europäischen Stellen. Beinahe täglich melden Medien immer neue Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst (BND). Nach den Enthüllungen von Edward Snowden im Sommer 2013, mutet die gegenwärtige Affäre der beiden Geheimnisdienste wie ein Déjà-vu an. Konsequenzen?

Ausgangssituation 

„Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“ – klarer hätte die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht sein können, als bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst auch ihr Handy abhörte. Damit setzte sie einen klaren Maßstab. Dieser könnte ihr jetzt allerdings zur Verhängnis werden.

Wie WDR, NDR und die Süddeutsche Zeitung berichteten, nutzte der US-Geheimdienst NSA die Abhörstation des BND im bayrischen Bad Aibling, um hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des französischen Präsidentenpalastes in Paris und der EU-Kommission in Brüssel auszuspähen.

Dazu kamen auch erste konkrete Details ans Tageslicht. Der BND bekam wohl für die Überwachung des Datenverkehrs von Bad Aibling aus viele Suchmerkmale (sogenannte Selektoren) von der NSA vorgegeben. Diese Selektoren bezogen sich beispielsweise auf IP-Adressen oder Telefonnummern zu Zielen in Europa.

Politische Tragweite 

Bereits vor Jahren informierte der deutsche Geheimdienst (BND) das Kanzleramt über die unzulässigen Spähversuche seitens der USA. Hierauf folgte lange keine Reaktion. Erst durch die Nachfragen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss, begannen intensive Nachforschungen der Bundesregierung, der seit März detaillierte Informationen zur Geheimdienstaffäre vorliegen.

Zurzeit verlangen folgende Fragen auf eine Antwort: Wer wusste ab wann was von dieser fragwürdigen Zusammenarbeit und warum gab es dazu keine öffentliche Bekanntgabe. Ebenfalls müssen sich die Politiker die Frage gefallen lassen, warum erst jetzt erste Konsequenzen daraus gezogen werden. Die Beantwortung dieser Fragestellungen könnte weitreichende – auch personelle – Folgen haben.

Der außenpolitische Druck auf Deutschland steigt durch die jüngsten Enthüllungen deutlich. So fordert Jean-Claude Junker (EU-Kommissionspräsident) Aufklärung von Deutschland. Noch deutlicher wird der Präsident des EU-Partaments, Martin Schulz (SPD): „Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, wäre dies ein gravierender Vorgang“. Ferner sieht die Partei „Die Linke“ die deutsch-französische Freundschaft durch die Geheimdienstaffäre bedroht und beharrt auf einer Regierungserklärung.

Was neben diesen öffentlichen Äußerungen jedoch hinter den Kulissen passierte, kann nur vermutet werden. Nach einem Medienbericht schränkt seit dieser Woche der BND die Kooperation mit der NSA drastisch ein und stellt angeblich keine Informationen zur Überwachung von Internet- und Telefonverbindungen mehr zur Verfügung. Nach Abstimmung zwischen dem deutschen Geheimdienst und dem Bundeskanzleramt, wurde eine präzise Forderung an die USA übermittelt: Zukünftig muss eine klare Begründung für die Überwachung von Personen oder Institutionen geliefert werden – andernfalls soll der BND nicht mehr im Auftrag der NSA tätig werden.

Warum die NAS-Affäre uns alle angeht

Trotz der anhaltenden Medienberichterstattung glauben nicht viele Menschen, die BND-NSA-Affäre betreffe sie nicht, da sie „nichts zu verbergen haben“. Außerdem fällt es in der Masse der Meldungen gar nicht leicht, den Überblick zu behalten.

Nach den Offenlegungen von Snowden ahnten netzaffine Bürger, die täglich Privates in den sozialen Netzwerken posten, sich von Google Now rechtzeitig vor einem Termin in ihrem Google Calendar erinnern und die Wegbeschreibung gleich mitliefern lassen, dass Geheimdienste auf ebensolche Informationen zugreifen können.

Wer die einschlägigen Netzdienste nicht so häufig nutzt, fühlt sich folglich auch nicht von den Aktivitäten der Geheimdienste berührt. Dieses Sicherheitsgefühl ergibt sich wohl aus der Tatsache, dass die erhobenen Datenmengen riesig und sehr abstrakten wirken. Gleichermaßen ist dies auch dem Umstand geschuldet, dass sich der „Durchschnittsbürger“ nichts unter dem Begriff „Meta- und Verbindungsdaten“ vorstellen kann.

Am Beispiel von Handy-Verbindungsdaten lassen sich Metadaten anschaulich betrachten. Ein altmodisches Handy – kein Smartphone – genügt, um anhand der Einwahl bei den Mobilfunkmasten, ein zeitlich und örtlich genaues Bewegungsprofil zu erstellen. Weiterhin ergeben Dauer, Empfänger und Anzahl der Gespräche und SMS ein Bild des sozialen Umfelds und dies ganz ohne Einbeziehung von Facebook.

Die Sammlung dieser Metadaten und anderer Informationen gehören zum Tagesgeschäft von Geheimdiensten. Aus ihrer Sicht scheint es nachvollziehbar, alle Möglichkeiten zu nutzen und den gesamten Netzverkehr abzufangen und auszuwerten. Allerdings führt das massive Abfischen der (Internet-) Kommunikation dazu, dass wir alle unter Beobachtung stehen und so behandelt werden, als ob wir verdächtig wären.

Festzuhalten ist, dass Überwachung die persönliche Freiheit jedes Einzelnen einschränkt. Das Gefühl überwacht zu werden, führt zu sogenannten Chilling Efects: Man ändert vorauseilend sein Verhalten aus Angst vor negativen Konsequenzen.

Auch wenn die Geheimdienste einen vermeintlich legitimen Zwecken verfolgen, wie die Terror- und Gefahrenabwehr, sind deren Interessen mit den Freiheitsrechten der Bürger abzuwägen. Warum aber im Ergebnis ein Verhältnis 100 gegen 0 zu Lasten des Bürgers entstehen muss, ist dabei nicht nachvollziehbar.

Edward Snowden trifft zu guter Letzt eine ähnlich klare Aussage, wie unsere Bundeskanzlerin, wenn er sagt: „Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die so etwas macht“.

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Bildquelle

Pixabay (CCO Public Domain)

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Über den Autor

Mein Name ist Julius S. Schoor. Ich bin Rechtsanwalt und spezialisiert auf IT-Vertragsrecht. Seit 2011 bin ich als Datenschutzbeauftragter TÜV-zertifiziert und bereits für mehrere Unternehmen als solcher offiziell bestellt.

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