Das ewige Google-Gedächnis und das „Recht auf Vergessenwerden“

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Es lohnt sich einen Blick zurück zu werfen. Zurück auf den 29. Mai 2014. An diesem Tag entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einem richtungweisenden Urteil zum Schutz der Privatsphäre (C-131/12) mit dem sogenannten „Recht auf Vergessenwerden“. Das damalige Urteil richtete sich gegen Google. Seither veröffentlicht das Unternehmen die Zahl der Löschanträge, derzeitig mehr als 250.000 – von denen 60 Prozent abgeschmettert worden seien. Hier ist ein genauerer Blick lohnenswert.

Rückblick

2010 reichte ein spanischer Bürger eine Klage bei der spanischen Datenschutzagentur ein, weil dieser nicht länger im Zusammenhang mit einer Zeitungsmeldung über die Zwangsversteigerung seines Grundstücks aus dem Jahr 1998 stehen wollte, die an prominenter Stelle in den Google Suchergebnissen erschien.
Letztlich landete der Fall vor dem EuGH, der über die Auslegung der EU-Datenschutzrichtlinien zu befinden hatte und feststellte, dass “der Betreiber einer Internetsuchmaschine […] bei personenbezogenen Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich ist”.
Google reagierte daraufhin mit einem neuen Antragsformular auf Entfernung aus den Suchergebnissen gemäß dem Europäischen Datenschutzrecht. Jeder Antrag wird einzeln geprüft und bei der Bearbeitung festgestellt, ob die Suchergebnisse veraltete Informationen über den Antragsteller enthalten und ob ein öffentliches Interesse an den beanstandeten Informationen besteht.

Gegenwärtige Praxis am Beispiel „forget.me“

Seit drei Jahren hilft ReputationVIP vor allem Wirtschafts-Unternehmen, ihren guten Ruf im Internet zu bewahren. Im Juni 2014 nahm der französische Web-Dienstleister die Arbeit auch für jeden Bürger auf, der sein „Recht auf Vergessenwerden“ wahrnehmen möchte und gründete hierfür die kostenlose Plattform „Forget.me„.
Der Mitgründer und Präsident von ReputationVIP – Bertrand Girin bilanziert: „Im ersten Jahr der Existenz unserer Plattform haben wir über 60.000 Löschanträge an Google weitergeleitet – 70 Prozent davon wurden abgelehnt.“
Die Seite „forget.me“ bietet Vordrucke für unterschiedlichste Fälle. Standardschreiben, in französisch und englisch, von einem Anwalt rechtlich korrekt und dennoch allgemein verständlich formuliert. Die größte Nachfrage kommt nach Angaben des Unternehmens aus Großbritannien, gefolgt von Deutschland – knapp jeder 4. Nutzer von ‚forget.me‘ ist ein Deutscher.
Besonders interessant erscheinen die Auswertungen und Gewichtung der Löschanträge: „Bei knapp zwei Dritteln der Anträge, in 68 Prozent der Fälle, geht es um private Anliegen. Herr und Frau Jedermann bitten darum, dass ihre Telefonnummer nicht mehr in der Suchmaschine auftaucht. Dass nicht mehr gelistet wird, dass sie ihren Job verloren, wie es um ihre Gesundheit oder auch ihre Sexualität bestellt ist und Ähnliches. Als Nächstes folgen Beleidigungen im Internet – das macht elf Prozent der Anträge bei uns aus. Vier Prozent der Nutzer wollen, dass Bilder von ihnen aus dem Internet verschwinden. Und in lediglich drei Prozent der Fälle geht es um die Bitte, Informationen über Strafverfahren, in die man verwickelt ist oder war, zu löschen.“

Das Urteil als Bedrohung für die Pressefreiheit?

Doch gibt es auch kritische Stimmen nach dem EuGH-Urteil. So klagte beispielsweise die britische Tageszeitung The Guardian, dies bedeute eine Zensur für die Pressefreiheit. Doch für Girin sei dies nach eigenen Statistiken eine unbegründete Sorge: „Wir haben bei einer Studie in Deutschland, England und Frankreich alle sogenannten Presse- , also Medien-Webseiten berücksichtigt. Wir haben bei den Lösch-Anträgen unserer Nutzer geschaut, ob sie sich auf Informationen, die die Medien online stellten, bezogen. Das ist bei gerade mal drei Prozent der Anträge der Fall. Und wenn es darum geht, dass jemand, dessen Name in den Medien auftauchte, sich vergessen machen möchte, antwortet Google zu 92 Prozent mit Nein!“

Fazit

Klare Regeln, was zu löschen sei, gibt es bis heute keine. Mitte Mai monierten achtzig Experten aus Technik und Datenrecht, in einem offenen Brief in The Guardian die mangelnde Transparenz bei der Umsetzung des ‚Rechts auf Vergessenwerden‘. Bislang vergeblich plädiert auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, frühere Bundesjustizministerin und Mitglied des ‚Lösch-Beirats‘, dieses Recht über europäische Domänen hinaus weltweit gültig zu machen.

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Bildquelle

Pixabay (CCO Public Domain)

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Über den Autor

Mein Name ist Julius S. Schoor. Ich bin Rechtsanwalt und spezialisiert auf IT-Vertragsrecht. Seit 2011 bin ich als Datenschutzbeauftragter TÜV-zertifiziert und bereits für mehrere Unternehmen als solcher offiziell bestellt.

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